Vollautomatisierte Prozessplanung in der Dentalfertigung

Produkt- und Fertigungsinformationen zur Fertigung von Zahnersatz zur automatisierten adaptiven Prozessplanung

Die schnelle Bereitstellung patientenspezifischer Zahnkronen stellt hinsichtlich der Prozessplanung eine große Herausforderung dar. Im Rahmen des Forschungsprojekts TempoPlant erforscht das IFW zusammen mit der MACK Dentaltechnik GmbH deshalb eine Lösung für die automatisierte adaptive Prozessplanung zur Steigerung der Durchlaufzeiten und Prozessqualität bei der Herstellung medizinischer Komponenten wie Zahnersatz.

Not-Operationen erfordern oft eine rasche Bereitstellung patientenspezifischer Implantate. Die Lieferung individueller Zahnprothetik muss innerhalb weniger Tage erfolgen, um eine erfolgreiche Operation und Patientenversorgung zu gewährleisten. In Produktionsbetrieben wie der MACK Dentaltechnik GmbH, die Zahnersatz herstellen, müssen daher schnelle Durchlaufzeiten umgesetzt werden. Einen großen Einfluss auf die Durchlaufzeit hat die Erstellung der Werkzeugwege und Auswahl der Prozessstellgrößen im CAM-System. Eine automatisierte und anpassungsfähige Prozessplanung stellt ein großes Potential dar, die Herstellung von individuellen Einzelteilen signifikant zu beschleunigen wodurch eine hohe Produktivität sichergestellt werden kann.

Das IFW hat im Rahmen des durch das BMBF geförderten Forschungsprojekts TempoPlant zusammen mit der MACK Dentaltechnik GmbH eine industrienahe Lösung zur vollautomatisierten adaptiven Bahnplanung am Beispiel der Herstellung von Zahnkronen entwickelt und erprobt. Dabei wird Wissen aus dem Fertigungsprozess zum Zusammenhang zwischen Prozessstellgrößen und Bauteilqualität integriert. Somit werden zukünftig ideale Prozessstellgrößen zur Erreichung der Bauteiltoleranzen vor der Fertigung ausgewählt.

Um die nötigen Bewegungen der Werkzeugmaschine zu planen, werden Software-Tools wie CAD/CAM-Systeme, Postprozessoren und numerische Steuerungssimulationen genutzt. Den Großteil des Arbeitsaufwands stellt die CAM-Planung dar. Hier müssen Konstruktionsmerkmalen, wie Bohrungen, Taschen, Nuten, Radien und Fasen passende Fertigungsoperationen, wie Planfräsen, Konturfräsen oder Bohren zugewiesen werden, um diese Merkmale im Bauteil herzustellen. Die Zuweisung von Fertigungsoperationen zu Konstruktionsmerkmalen erfolgt in den meisten Fertigungsbetrieben manuell durch qualifiziertes Fachpersonal. Die zeitaufwändige manuelle Zuweisung von Fertigungsoperationen im CAM-System verringert die Produktivität und ist mit hohen Kosten verbunden. Deshalb wurde im Projekt TempoPlant eine Methode zur automatisierten Prozessplanung entwickelt und erprobt.

Die durch das IFW entwickelte Methode wurde mit Hilfe der kommerziell verfügbaren CAD/CAM Software Siemens NX erstellt. Im Bezug zur Fertigung von Zahnkronen wird die Methode zur automatisierten adaptiven Bahnplanung an einer eng tolerierten Passfläche der Zahnkronen in Form eines Konus entwickelt und erprobt. Über diese Passfläche wird die Zahnkrone später mit dem Kiefer des Patienten verbunden. Das Wissen bezüglich der Auswirkungen unterschiedlicher Prozessstellgrößen auf Qualitätsgrößen des zu fertigenden Bauteils wurde durch Zerspanversuche generiert. Konkret wurden Schnittgeschwindigkeit und Eingriffstiefe variiert und deren Einfluss auf den Kegelwinkel und die Oberflächenrauheit der Passfläche messtechnisch erfasst. Dieses Wissen wird bei zukünftigen CAM-Planungsprozessen verwendet, um die engen Fertigungstoleranzen der Zahnkronen ohne Einfahrprozesse zu erreichen. Das Prozesswissen wurde in der Siemens NX eigenen Datenbank, dem sog. Machining Knowledge Editor (kurz MKE) gespeichert.

Mit der im Projekt TempoPlant entwickelten und erforschten Methode zur adaptiven CAM-Planung kann nun automatisch ein NC-Code erstellt werden. Ausgehend von der CAD-Datei wird zunächst die automatische Merkmalerkennung durchgeführt. Dabei detektiert die Merkmalerkennung von Siemens NX das Konstruktionsmerkmal und speichert es programmintern ab. Im Anschluss daran wird automatisiert ein Formelementprozess auf das Konstruktionsmerkmal angewandt. Die dazugehörigen Fertigungsoperationen und Prozessstellgrößen werden dabei direkt aus dem MKE geladen. Hiernach werden die Werkzeugbahnen berechnet und mittels Postprozessor in ein maschinenlesbares Format übersetzt. Der so entstandene NC-Code wird automatisch gespeichert, sodass er direkt an die Maschine übergeben werden kann.

Durch die entwickelte Methode ist es möglich, die Datenbank des MKE ständig mit Prozesswissen zu erweitern, neben Standard Konstruktionsmerkmalen neue Merkmale zu definieren und künftigen CAM-Planungs-Szenarien zur Verfügung zu stellen. Dadurch entfallen zeitaufwändige manuelle Schritte bei der Herstellung von Zahnkronen und die Wirtschaftlichkeit wird deutlich erhöht. Es konnte gezeigt werden, dass durch die automatisierte CAM-Planung im Vergleich zu einer konventionellen Herangehensweise bis zu 88 % des zeitlichen Planungsaufwands eingespart werden kann. Zukünftig wird das IFW das entwickelte System durch Ergänzung zusätzlicher Prozessstellgrößen weiter erforschen und mit Freiformflächen als Konstruktionsmerkmale erweitern.

Das vorgestellte Forschungsprojekt wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Forschung für Produktion“ gefördert und in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern DECKEL MAHO Seebach, DMG MORI Digital, Carl Zeiss Optotechnik GmbH, endocon GmbH und der MACK Dentaltechnik GmbH bearbeitet.

 

Kontakt:

Für weitere Informationen steht Ihnen Martin Winkler, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 (0) 511 – 762 4991 oder per E-Mail winkler@ifw.uni-hannover.de gern zur Verfügung.